Hier der originaltext der Autobildausgabe 12/2000:
Drei Kleinwagen im Temporausch: Wo die GTI-Zwerge auftauchen, sollten Sie die linke Spur frei machen
Betont langsam und mit gönnerhafter Miene wechselt der Stern-Fahrer auf die rechte Spur - dem schnell näher kommenden roten Klecks mit grellem Xenonlicht zuliebe. Und dann ist es auch schon passiert: Weltbild und Selbstwertgefühl des braven Bürgers erleiden urplötzlich eine Panne. Im Schlepp des davonzischenden VW Polo GTI saugt sich ein quietschgelber Fiat Punto HGT (Spitze jeweils 205 km/h) vorbei, beide gejagt von einem Silberpfeil namens Peugeot 206 S 16 (Spitze 210 km/h).
Unfassbar - verblasen von Kleinwagen. Von Muskel-Minis, die trotz Spritpreisen um zwei Mark und eines ab Tempo 130 jaulenden grünen Gewissens noch echten GTI-Geist versprühen, selbstbewusst das Erbe von Uno Turbo (1985 bis 1989), 205 GTI (1986 bis 1988) und Polo G40 (1990 bis 1994) antreten.
Ein hoher Anspruch, dem natürlich auch wir gerecht werden wollen. Also änderten wir unseren Kleinwagen-Schlüssel in eine sportliche GTI-Wertung. Motor und Fahrwerk wiegen dabei deutlich schwerer, einzelne Kriterien wurden den forschen Flöhen gezielt angepasst.
Alle drei Muske(l)tiere treten optisch dezent auf, vermeiden peinliche Krawall-Kosmetik und setzen auf feine Alu-Räder, Sportfahrwerk und milde Heckspoiler (Punto 300 Mark).
Das italienische Heißblut deutet seine sportlichen Gene auch im geräumigen Innenraum mit Alublenden und Leder nur an. Gleiches gilt für die großen, "sportiv gestylten" Sitze. Die Sitzposition geriet zu hoch, der Seitenhalt viel zu gering - bei schnellen Kurvenkombinationen rutscht man haltlos auf dem Polster umher.
Erst der gierige Motor fesselt uns nachhaltig, entwickelt echtes Turiner Temperament. Unter 3000 Touren tarnt sich der 1,8-Liter zunächst noch als braver Biedermann, wirkt gehemmt und mimt bis Tempo 130 tatsächlich den Leisetreter. Danach gehen die 130 Cavalli völlig zügellos zum Galopp über. Böse brüllend und ohne Rücksicht auf die Manieren fordert der Vierventiler mehr Drehzahl, belohnt dafür mit kräftigem Schub bis zum Begrenzer. So schafft es der forsche Fiat in guten 8,8 Sekunden auf Tempo 100 - einen Hauch vor dem Polo.
Auch der Zwischenspurt bereitet dem Punto (164 Nm) keine Schwierigkeiten. Nur der lang übersetzte fünfte Gang bremst den Elan des Italieners, lässt ihn zwischen 80 und 120 km/h eine Sekunde auf den VW verlieren.
Der vorn üppig geschnittene Wolfsburger, der im Fond recht knapp ausfällt und dessen straffe Polster mit Seitenhalt geizen, bleibt dem Punto beim Antrieb aber sehr ähnlich. Mit bescheidenen 152 Nm Drehmoment aus 1,6 Liter Hubraum herrscht im Drehzahlkeller zunächst mal Flaute. Anschließend zündet der 125 PS starke Vierventiler aber ein Feuerwerk, schmeichelt er sich mit kerniger Kehle durchaus kultiviert in unser Gehör.
Dabei schlägt der Polo einen ziemlich flotten Takt an, rea- giert ohne Zögern aufs Gas und macht unser Tempo-Treiben willig mit. Nach 8,9 Sekunden schrammt der Rot-Runner mit 100 km/h über den Asphalt und wir permanent am Führerschein-Entzug entlang. Beim S16 können labile Charaktere ihre Fahrerlaubnis direkt nach Flensburg schicken - der freche Franzose geht wie Hölle, inszeniert permanent den Sturm auf die Bastille. Giftig, gierig, gewaltig. Mit 135 PS und stattlichen 190 Nm Drehmoment lässt der 2,0-Liter seinen Gegnern keine Chance - außer beim Tanken (9,5 Liter).
In 8,5 Sekunden erstürmt er die 100-km/h-Marke, liefert in jeder Drehzahllage unverschämt viel Kraft und lässt wie ein Bullterrier einfach nicht mehr locker. Dazu passt die leichtgängige Schaltung, die wie beim Punto allerdings zu schwach synchronisiert ist.
Deutlich haltbarer zeigen sich jedenfalls die Sportsitze in Leder und Alcantara, die auch bei wilder Wedelakrobatik kaum etwas verrutschen lassen. Dafür notiert der hart abgestimmte 206 akribisch jede Bodenwelle, sorgt auf dem Rundkurs aber für Spaßfaktor zehn. Mit der direkten Lenkung lässt sich der Franko-Floh lustvoll und blitzschnell um die Ecken zirkeln, ohne nennenswert zu untersteuern oder zu wanken. Entsprechend notieren wir im Contidrom bei Hannover mit 1:53,17 Minuten die absolut schnellste Rundenzeit.
Doch attention! Wer in der Kurve zögert und ängstlich vom Gas auf die Bremse umsteigt, muss (besonders bei Nässe) hellwach sein und beherzt gegenlenken. Sonst übernimmt das Heck des Peugeot ruck, zuck die Führung und verordnet ungewollte Drehungen. Daran ändern auch die knackigen Bremsen (38,1 Meter) nichts.
Gegen unfreiwillige Straßenflucht verordnet VW den elektronischen Schleuder-Schutz ESP - ohne Aufpreis. Doch sogar ohne huscht der Polo narrensicher, beinah schon langweilig über die Handlingstrecke. Leichtes Schieben über die Vorderräder und spürbare Karosserieneigungen machen ihn insgesamt träger (1:56,63 Minuten), die zu leichtgängige Lenkung schränkt die Gaudi beim Fahren deutlich ein. Doch dafür beeindrucken Elche den Polo am wenigsten.
Schluss mit lustig heißt es beim Fiat. Knüppelhart die Federung, unausgewogen die Dämpfung, schwach die Bremsen (43,5 m) - mit GTI hat das wenig zu tun, auch wenn der Punto die Conti-Tour in 1:55,51 Minuten mit Anstand absolviert. Die harte Druckstufe macht Gullydeckel zur Belas-tungsprobe für Bandscheiben, die weiche Zugstufe versetzt die Karosserie nach Bodenwellen und Kurven in unangenehme Schwingungen. Bad vibrations, denn beim Ausweichhaken schaukelt sich das Punto-Heck mächtig auf, lässt sich mit der teigigen Lenkung nur schwer bändigen. Mamma mia.
Wenigstens bietet der attraktive Preis (32990 Mark, inklu-sive Traktionskontrolle, Klima, Navigation, Radio, CD-Wechsler) etwas Trost. Der 206 S16 spendiert für 33400 Mark immerhin Klimaautomatik und Radio. Im Polo GTI gibt es für 34450 Mark zwar ESP und Xenonlicht, sonst kostet aber vieles extra - was allenfalls den überholten Stern-Fahrer (schaden)froh stimmt.
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Der Sieg des Peugeot 206 überrascht nur auf den ersten Blick. Kraftvoller Motor und agiles Handling machen ihn fast automatisch zur Nummer eins der Mini-Sportler. Der narrensichere VW Polo zeigt Sportgeist nur halbherzig und ist zu teuer. Fiats günstiger Punto verliert wegen seines unausgewogenen Fahrwerks.
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